Rezension: Fleisch ist mein Gemüse – Eine Landjugend mit Musik
Bielefeld (mun). Bei vielen Rockmusikern geistert ja die Vorstellung, mit Tanzmucke auf Hochzeiten und Schützenfesten die schmale Geldbörse etwas aufzubessern, um so die „richtige“ Musik – in die man sich nicht reinreden lassen will – mitzufinanzieren. Manche schaffen das sogar und haben Erfolg. Die sagen dann jedoch, es sei ein Knochenjob, immer freitags, samstags, wenn andere Leute feiern, im Tourbus unterwegs zu sein, um irgendwo auf einer Kirmes im Umkreis von 300-400 km die Charts rauf- und runter zu nudeln mit den angesagten Hits und Oldies. Der vorliegende Roman handelt von solch einer „Karriere“.
Im Prinzip geht der Typ, der als Saxophonist in der Gegend von Hamburg-Harburg lebt, als „Vollblutmucker“ dermaßen vor die Hunde, dass sein Werk der tristeste Roman aller Zeiten wäre. Aber die Sprache und die vielen kruden Einzelheiten, die zynisch bis melancholisch ausgebreitet werden, machen das Buch zu einem Lesevergnügen der Extraklasse. Heinz Strunk erzählt die kübeltiefe Scheiße, in der er andauernd steckt, dermaßen trocken, dass man sich teilweise schlapplachen kann.
Da sind die Drogenexzesse und Sauforgien, sinnlos verbrachte Tage vor dem Glücksspielautomaten, mißglückte Annährungsversuche an Groupies, öde Stunden in abgewrackten Hotelzimmern, die nicht vorbeigehen wollen, und vieles mehr. Dabei gerät Strunk immer mehr in die soziale Abwärtsspirale, was auch seiner Musik nicht gerade gut bekommt. Schließlich sitzt er irgendwo ganz tief in der Gosse und nichts geht mehr. Aber immerhin schafft es Strunk dann doch irgendwie, die fünfzehn Jahre als Tanzmusik-Saxophonist zu einem Roman zu verarbeiten. Der ist ein „Muß“ für alle, die ebenfals Tanzmusik machen (wollen) und darüberhinaus mal eine Figur kennenlernen möchten, bei der so gut wie alles schief läuft.
Bibliographische Daten: Heinz Strunk: Fleisch ist mein Gemüse – Eine Landjugend mit Musik; rororo-Taschenbuch 23711, Reinbek bei Hamburg 2006, ISBN 3499237113, 8.90 €
10.01.2007 23:43